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KISS-Syndrom „Das ist nur eine Modeerscheinung…“

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Plötzlich waren wir zu fünft, alles noch einmal auf Anfang. Ich dachte bis dato immer, dass ich durch meine beiden anderen Kinder gerüstet sei für Baby Nummer drei. Doch, jedes Kind ist anders.

Die ersten drei Tage mit meiner Tochter im Krankenhaus verliefen relativ ruhig, auch wenn die Krankenschwestern, im Kinderzimmer, sich immer wieder erschraken, weil sie sich so sehr verrenkte. Sie sah manchmal aus als wolle sie mit ihrem Kopf die Fußsohlen erreichen. Das Anziehen war eine Katastrophe und sie war in der Lage so viel Kraft aufzubringen, dass man meinte ein Brett im Arm zu halten. Naja, es gibt halt einfach viele Säuglinge, die das Anziehen hassen. Bei der U2 sprach eine der Krankenschwestern die zuständige Ärztin auf das extreme Überstrecken an, worauf diese nur meinte, es hinge mit ihrem „schlafen Muskeltonus“ zusammen. Fertig, aus! Die Nachtschwester riet mir jedoch zum Besuch bei einem Osteopathen. Da ich davon aber bisher noch nie gehört hatte, verwarf ich den guten Ratschlag erst einmal und vertraute auf die Ärztin.

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Typische Haltung von KISS-Syndrom Kindern!

Als mich mein Mann aus dem Krankenhaus abholte, freute ich mich wirklich auf mein zu Hause und vor allem auf meine beiden Jungs. Wir packten Liv also in den Maxi Cosi, was ein großes Schreikonzert zur Folge hatte. Ich kannte bisher nur, dass Kinder, kurz nachdem man den Motor angelassen hat, ganz friedlich einschlummern. Aber auch hier war Liv eine echte Ausnahme. Die ganze Strecke nach Hause schaffte sie es aus vollem Halse zu brüllen und das blieb kein Einzelfall. Die Umstellung auf die neue Umgebung fiel meiner Tochter sehr schwer und so war die erste Zeit mit ihr sehr laut und anstrengend. Das Wickeln und Anziehen war ein richtiger Kraftakt, Schlafen ging nur auf Mamas Arm, im Tragetuch oder an der Brust. Lange Schlafphasen gab es nur nachts, wenn ich neben ihr lag. Das Beistellbett, das wir extra gekauft hatten, wurde zum Kleiderständer. Selbst ein Ablegen meiner Tochter für lediglich 2 Minuten endete in hysterischem Schreien. Legte man Liv auf den Bauch, so hielt sie, schon wenige Tage nach der Geburt, den Kopf immer nach oben gereckt. Niemals hätte sie ihn abgelegt, egal wie kräftezehrend es war. Ich hatte das Gefühl, als ob sie das gar nicht könnte. Ankuscheln und auf Papas Brust einschlafen war unmöglich. Selbst wenn ich Liv auf dem Arm hielt, hatte ich das Gefühl, dass sich das Kind immerzu anstrengte. Nie schien sie entspannt zu sein. Unsere Hebamme riet mir dann auch zu einer osteopathischen Behandlung, die mein Mann erst einmal aber nicht in Betracht ziehen wollte, solange unser Kinderarzt bei der U3 nicht auch zugestimmt hatte.

„Das ist nur eine Modeerscheinung…“

Da war er also, der Tag der Vorsorgeuntersuchung. Ich erhoffte mir direkte Hilfe und konkrete Anweisungen unseres Kinderarztes und war daher wirklich angespannt. Er begann mit der Untersuchung und meine Maus schrie sich dabei die Lunge aus dem Hals. Sie versuchte sich aus seinem Griff zu winden und überstreckte sich nach allen Regeln der Kunst. Er musterte sie eine ganze Zeit lang und erklärte mir, dass dies durch die Geburt und eventuell verkürzte Sehnen kommen könnte. Er wollte noch drei weitere Wochen abwarten und sie anschließend nochmal sehen. Sollte es sich bis dahin nicht von selber gebessert haben, würde er Physiotherapie verschreiben. Als ich ihn auf mögliche Osteopathie ansprach, belächelte er mich nur und sagte mir: „Das ist nur eine Modeerscheinung und ich halte davon nichts.“. Er wünschte mir ruhige Weihnachtstage und verabschiedete uns.
Direkte Hilfe sieht für mich anders aus!

Nur zwei Tage später hatte ich die Nachuntersuchung bei meiner Frauenärztin, bei der Liv erst einmal die ganze Praxis zusammen schrie. Die Ärztin war so lieb, meine Tochter zu halten, während ich mich anzog. Sie schaute mich ganz erschrocken an, als ich ihr das Kind abnahm und meinte: „Die Arme Maus quält sich aber richtig. Ich kann selbst durch die Jacke merken wie sehr sie arbeitet und wie angespannt sie ist. Sie sollten vielleicht einmal einen Osteopathen darauf gucken lassen.“. Ok, da war es wieder dieses Wort: Osteopath. Natürlich hatte ich mich in der Zwischenzeit sowohl im Internet, als auch im Bekanntenkreis informiert und mit Verwunderung festgestellt, dass sehr viele Leute und vor allem Kinder erfolgreich behandelt worden waren. Zu Hause angesprochen, bat mich mein Mann noch die drei Wochen des Kinderarztes abzuwarten und dann zur Physiotherapie zu gehen. Zugegebenermaßen, höre ich nicht immer auf das was mein Mann mir sagt, und so rief ich noch am gleichen Tag bei einer Osteopathin an. Ich wollte meinem Kind schließlich keine weiteren drei Wochen Schmerzen zumuten, sollte da etwas sein, und außerdem war auch ich mit meiner Kraft am Ende. Ich bekam direkt einen Termin am nächsten Tag.

Die Untersuchung war für mich sehr merkwürdig. Die Osteopathin hielt meine Tochter lediglich unter dem Popo und dem Kopf und bewegte sie ganz leicht hin und her. Es war kaum zu erkennen, aber das Kind schrie augenscheinlich vor Schmerzen. Heraus kam, dass meine Maus eine Blockade im Kreuzbein sowie im Schultergürtelbereich hat. Es wurde auch direkt versucht beides zu lösen. Die Therapie war für Liv extrem anstrengend, und so konnte mit absoluter Sicherheit nur eine Blockade anfangs gelöst werden. Ich bekam einen neuen Termin in zwei Monaten und fuhr das erste Mal nach sechs Wochen mit einem schlafenden Kind im Auto nach Hause. Der Zustand meiner Tochter besserte sich mit jedem Tag ein bisschen, dennoch überstreckte sie sich immer noch und auch alles andere blieb anstrengend.

Bei der U4 musste auch der Kinderarzt zugeben, dass sich meine Tochter langsam verändert hatte. Als ich ihm sagte, dass ich sie hatte behandeln lassen, schaute er mich nur an und meinte, dass sie ja auch älter geworden sei und er der Meinung wäre, dass es daran läge. Er verschrieb mir Physiotherapie.

Da ist noch etwas im Argen

Für die Physiotherapie hatte ich mich für das Haus früher Hilfen entschieden, weil ich dort nur gute Erfahrungen mit meinem großen Sohn gemacht hatte. Alles ist dort bunt und voller Spielzeug. Eben alles auf Kinder ausgelegt. Die Physiotherapeutin untersuchte Liv eingehend und stellte fest, dass dort noch etwas im Argen war. Viele Dinge ließ sie einfach nicht mit sich machen. Die Therapeutin vermutete, dass es am Atlas-Wirbel liegen könnte und bat mich, mich einmal bei einem Spezialisten zu melden und dies prüfen zu lassen. Sonst würde eine weitere Therapie wenig Sinn ergeben. Hier kam das erste Mal das Wort „KISS-Syndrom“ ins Spiel. Sie gab mir zwei Nummern von Praxen, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht hatte und bat mich, mich zu melden, sobald ich nähere Informationen hatte. Wie ich nun einmal bin suchte ich erst einmal im Internet nach den beiden Namen. Einer von ihnen war Dr. Biedermann in Köln. Ich war ziemlich erstaunt, als ich massig Suchergebnisse bekam mit wahnsinnig tollen Bewertungen von Leuten aus ganz Deutschland. Meine Wahl war gefallen, denn schließlich handelte es sich hierbei auch um den Mann, der das KISS-Syndrom als solches bekannt gemacht hatte. Ich rief an und vereinbarte einen Termin. Ich konnte wählen, ob ich zu Dr. Biedermann selbst wollte oder zu einem Arzt, der mit in seiner Praxis ist. Wir entschieden uns für den schnellst möglichen Termin bei Frau Dr. Küsgen. Mir wurde gesagt, dass ich bitte noch einen weiteren Erwachsenen mitbringen sollte, weil meine Tochter geröntgt werden sollte.

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KISS-Syndrom – überstrecken der Gelenke!

Zwischenzeitlich war ich nochmals bei unserer Osteopathin, die feststellte, dass beide Blockaden gelöst waren, mit dem Ergebnis aber dennoch nicht zufrieden war. Daher wollte auch sie mich zu Dr. Biedermann schicken, da sie meint er sei der Richtige für dieses Problem. Meine Zuversicht wuchs.

Der Tag war endlich gekommen und ich machte mich zusammen mit meiner Mutter auf den Weg nach Köln. Ich muss zugeben, dass ich so aufgeregt und ängstlich war, dass ich die Nacht vorher kaum schlafen konnte. Ob meiner Tochter hier wirklich geholfen werden konnte? Ich hatte ein wenig Angst vor dem Röntgen und auch davor, dass die Ärztin sagen könnte, dass sie nichts findet. Angekommen in der Praxis musste ich der Arzthelferin erst einmal einige Fragen zur Geburt und dem Verhalten meiner Tochter beantworten. Keine zehn Minuten später saßen wir Frau Dr. Küsgen gegenüber, die uns das Gefühl gab, genau am richtigen Ort zu sein. Sie schickte uns zum Röntgen, das dank der guten Vorbereitung der Arzthelferin höchsten vier Minuten dauerte und damit wenig Stress für meine Tochter bedeutete, auch wenn sie sich extrem gegen die Fixierung sträubte. Als ich anschließend im Behandlungsraum das Röntgenbild meiner Tochter sah, stockte mir der Atem. Selbst ich als Laie, konnte erkennen, wie sehr die beiden oberen Wirbel verschoben waren. Einer nach rechts geneigt und der anderen nach vorne verdreht. Das müssen Schmerzen sein! Kein Wunder, dass sie in Bauchlage den Kopf nie ablegen wollte. Frau Dr. Küsgen ließ daraufhin ihren Worten auch direkt Taten folgen und behandelte meine Tochter. Ich habe in meinem Leben ein Kind noch nie so panisch und vor Schmerzen schreien hören. Es war für mich als Mutter absolut furchtbar und ich musste selbst weinen. Es dauerte höchsten vier oder fünf Minuten, aber es kam mir vor wie Stunden. Nachdem sie fertig war, gab sie mir meine Tochter direkt in den Arm, die sich das erste Mal mit ihrem Köpfchen, trostsuchend, an mich kuschelte. Es war überwältigend!

Den Weg nach Hause und vier weitere Stunden verschlief Liv. Als ich sie aus dem Auto holte und mein Mann sie sah, meinte er direkt zu mir, dass sie anders aussehe. Sie war einfach total entspannt. Seit der Therapie sind mittlerweile 6 Wochen vergangen und das Ergebnis ist überwältigend. Mein Kind ist wie ausgewechselt. Sie spielt alleine vor sich hin, sie überstreckt sich nicht mehr und sie schaut mich an, wenn ich mit ihr spreche. Vorher hatte sie immer nur zur Seite geblickt. Die U5 hat sie mit Bravour bestanden (bei einem anderen Kinderarzt) und ist nun so fit und voller Tatendrang, dass wir die Physiotherapie nach zwei Wochen bereits abbrechen konnten. Sie hat ihre Defizite ganz alleine aufgeholt. Mein Mann ist mittlerweile auch froh, dass ich meinen Kopf wieder einmal durchgesetzt habe… Nach diesen Ergebnissen ist es für mich unvorstellbar, dass das KISS-Syndrom von vielen Kinderärzten und Krankenkassen nicht anerkannt wird. Mir ist inzwischen egal was andere dazu sagen oder ob sie an das KISS-Syndrom glauben, denn ich weiß, dass es das gibt und dass den Kindern geholfen werden kann. Ich bin froh, dass ich so gehandelt habe und genieße nun die schöne Zeit mit meiner Tochter!

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1 Kommentar

  • Avatar for Daniela
    Reply
    Steffi
    30. März 2019 at 21:49

    Liebe Daniela,
    danke für diesen Blogeintrag.
    Wie geht es Liv heute? Hast du in der weiteren Entwicklung Auffälligkeiten feststellen können? Ist sie z.B. nicht oder sehr spät gekrabbelt und gelaufen?
    Ich bin Mama einer 11 Monate alten Tochter und ich habe eine ähnliche Geschichte erlebt. Mit 6 Wochen wurde sie auch behandelt und war danach wie ausgewechselt (im positiven Sinn).
    Bewegung ist allerdings nicht ihre Lieblingsbeschäftigung.
    Wie ging es bei Liv weiter?
    Ganz liebe Grüße, Steffi

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